Die Schöpfung
Das Verständnis der Schöpfung ist ein erster Baustein für die Antwort auf die in der Einführung gestellte Menschheitsfrage, woher wir kommen. Im Folgenden wird daher auf die Schöpfung eingegangen. Es soll dargestellt werden, wie sie entstand und was darunter zu verstehen ist.
Die Entstehung der geistigen Schöpfung
Viele Menschen glauben, dass sie mit ihrem irdischen Leben zum ersten Mal ins Dasein getreten sind. Zumeist fehlt das Wissen über das Vergangene. Genau dieses fehlende Wissen ist eine der Ursachen für die Frage, woher wir kommen. Es gibt jedoch Menschen, die sich sicher sind, dass sie "schon mal da waren". Sie haben eine Ahnung von einem früheren Leben oder können sich sogar an Bruchstücke ihres früheren Lebens erinnern.
Tatsächlich ist es so, dass es jeden von uns längst gab, bevor wir als Mensch geboren wurden. Wir alle wurden vor sehr langer Zeit als Geister geschaffen, noch bevor es überhaupt irgendeine irdische Materie gab. Es gab also zuerst eine geistige Schöpfung, in der alles Geschaffene geistig bzw. feinstofflich war. Eine Materie gab es zu dieser Zeit noch nicht. Genauso wie wir auf Erden einen menschlichen Leib haben, so haben wir im Jenseits einen geistigen Leib, in dem das Geistwesen seine Gestaltung erhält. Ein Funke Gottes verleiht einem solchen geistigen Leib das Leben. Über die Unterscheidung des irdischen vom geistigen Leib belehrt uns auch der Apostel Paulus im 1. Brief an die Korinther 15,40–51: "Es gibt himmlische Leiber und irdische Leiber."
Der Vorgang der Schöpfung erstreckte sich über eine lange Zeit. Von der Länge dieser Zeit kann man sich kaum eine Vorstellung machen. Wenn man aber bedenkt, dass das Universum und damit auch die Erde, also die materielle Schöpfung, vor Milliarden von Jahren geschaffen wurde und es uns schon lange davor gegeben hat, kann man eine Ahnung davon bekommen, wie lange es einen jeden von uns schon als geistiges Individuum gibt.
Über den Vorgang der Schöpfung wird uns erklärt: "Gott schuf die Geisterwelt nicht auf einmal. Gott ist der große Bildner, der nach unendlich weisen Gesetzen aus dem Kleinen das Große, aus der Einheit die Vielheit, aus dem Samenkörnchen den Baum mit Billionen Samenkörnchen als Keime neuer Bäume schafft; der die Familie nicht dadurch bildet, dass er Eltern und Kinder gleichzeitig ins Dasein ruft, sondern dass er ein Elternpaar erschafft und ihm die Zeugungskraft verleiht, so dass nach und nach durch Geburt von Kindern die Familie wächst und aus dieser Familie neue Familien bis ins Unbegrenzte entstehen können."1)
Als erstes und einziges Geistwesen hat Gott Christus direkt geschaffen. Christus wird also zu Recht als der eingeborene Sohn Gottes bezeichnet. Er ist der höchste und vollkommenste der geschaffenen Geister und steht über allen danach geschaffenen Geistern. Gott hat ihn als König über die gesamte Schöpfung eingesetzt. Er hat Christus nicht nur als einziges Geistwesen direkt geschaffen, er hat ihm auch die Schöpferkraft verliehen. Der gesamte Rest der Schöpfung trat durch Christus ins Dasein (vgl. Kolosser 1,16–17, Hebräer 1,2).
"Wie das ganze irdische Menschengeschlecht die Quelle seines leiblichen Bestehens in dem ersten Menschen hat, so hat die ganze Geisterwelt den Grund ihres leiblichen Daseins in Christus. Wie die Menschen vom ersten menschlichen Stammvater nur ihren materiellen Leib über viele Generationen hindurch überkommen haben, ihr Geist jedoch jedesmal ohne Mitwirkung der Zeugenden mit dem Körper vereinigt wird, so haben auch die himmlischen Wesen ihren himmlischen Leib dem Erstling der Schöpfung, dem ersten Gottessohn zu verdanken, während ihr Geist, als von Gott kommend, jedesmal von Gott aus mit dem himmlischen Körper vereinigt ward." (Greber, a.a.O., S.266).
Die ersten sechs nach Christus geschaffenen Geister werden in der Bibel zwar zusammen mit Christus als die sieben ‘Söhne Gottes’ bezeichnet, doch handelt es sich bei ihnen um drei Dualpaare. Es sind also drei männliche und drei weibliche Geister. Diese sechs Geister hatten ihr Dasein dem himmlischen Leibe nach dem erstgeschaffenen Sohn Gottes, Christus, zu verdanken und kommen diesem an Größe, Macht und Herrlichkeit nicht gleich. Von diesen sechs Geistern ist uns Luzifer – was Lichtträger bedeutet – bekannt, der später abfiel. Er war der zweite Sohn Gottes. Ihm folgte sein Dual, ein weibliches Geistwesen. Ein weiterer Sohn Gottes gibt sich der Familie des Tobias als Raphael zu erkennen (vgl. Tobias 12,15).
Die gesamte Geisterwelt bildete zusammen mit Christus als ihrem Haupt einen großen, lebendigen Organismus, in dem jeder seine Aufgabe hatte und niemand überflüssig war. Es ist so wie bei einem irdischen Körper. Auch bei ihm bilden alle Glieder trotz ihrer Verschiedenheit in Gestaltung und Aufgabe ein Ganzes. Kein Glied ist überflüssig oder ist für sich selbst da. Wie auch in einem gut funktionierenden weltlichen Reich bildet der König mit seinen Beamten und der Gesamtheit der Untertanen eine einzige große Familie, "in der alle an dem Wohl des Ganzen arbeiten und wo vom Wohl des Ganzen auch das Wohl des Einzelnen abhängt. So auch in der großen Geisterfamilie" (Greber, a.a.O., S.267)
Alle Geister waren Glieder dieser geistigen Gemeinschaft und waren verschieden in Art und Vollkommenheit. Jeder hatte verschiedene Aufgaben, aber alle Geister waren in einer großen, herrlichen Einheit zusammengefasst. Kein Geist wirkte für sich, sondern mit den anderen Geistern zusammen an der wunderbaren Aufgabe, welche die Schöpfung Gottes zu erfüllen hatte. Auch Paulus vergleicht diese geistige Gemeinschaft immer wieder mit einem Leib, dessen Haupt Christus ist (vgl. Römer 12,4–6; Epheser 1,22–23; Epheser 4,15–16; Kolosser 1,18; Kolosser 2,19).
Die Gemeinschaft der gottestreuen Geister unter dem Königtum Christi ist die ‘Kirche’. "Das Wort ‘Kirche’ bedeutet ‘Herrschaft des Herrn’. Wer sich dieser Herrschaft und dadurch Gott unterstellt, gehört zur ‘Kirche’. Der richtige Begriff ‘Kirche’ hat also mit euren irdischen Kirchen und religiösen Gemeinschaften nichts gemein. Das alles ist Menschenwerk, aus menschlichen Irrungen entstanden und vergänglich, wie alles Menschliche." (Greber, a.a.O., S.267f.)
Die geistige Schöpfung gab es also lange vor der materiellen Schöpfung. Den Grund für eine materielle Schöpfung gab es damals noch nicht.
Die geistige Schöpfung
Gerade bei der Beschreibung der geistigen Schöpfung, also der jenseitigen himmlischen Welt, sind wir auf Berichte von denen angewiesen, die sie sehen, weil sie in ihr leben. Wie also kann man sich diese geistige Schöpfung vorstellen?
Das Jenseits ist unserer Erde in vielem ähnlich. So ist die Geisteswelt eine gestaltete, wirkliche Welt. Sie ist nicht nur ein Zustand, wie von vielen Menschen angenommen wird. Die Geisteswelt ist ein wirklicher Ort mit einer Zeit, in welcher es Formen und Gegenstände gibt. Es gibt herrliche Landschaften mit Bergen und Tälern, Seen und Flüssen, verschiedensten Pflanzen und wunderschönen Tieren. Auch gibt es Städte und Dörfer, in denen die Geister in ihren Wohnungen zusammen leben. "Im Hause meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?" (Johannes 14,2).2)
Auch gilt in der geistigen Welt das Gesetz der Verbindung von dem Männlichen mit dem Weiblichen. Zu jedem männlichen Geist gibt es ein nur zu ihm passendes weibliches Gegenstück. "Beide passen vollkommen zueinander und finden in der gegenseitigen Ergänzung und in ihrem treuen Zusammenarbeiten an der ihnen von Gott gegebenen Aufgabe ihr höchstes, persönliches Glück." (Greber, a.a.O., S.265) Diese Paare nennt man Duale. Es gibt also genau so viele männliche wie weibliche Geister. Von diesem Gesetz sind nur Gott und Christus ausgenommen. Für alle anderen gelten die Worte ‘Als Mann und Weib erschuf er sie’ und ‘Wachset und mehret euch’.
Das Jenseits ist eine Welt der Vielfalt. Es gibt eine unglaubliche und für uns nicht vorstellbare Zahl an Geistwesen. Alle Geistwesen haben ein jugendliches Aussehen. Sie altern nie, sondern werden mit ihrer fortschreitenden Vollkommenheit in den Himmeln nur schöner. Es gibt eine Vielzahl an verschiedenartigen Völkern mit unterschiedlichem Aussehen. Auch innerhalb eines Volkes haben die Geister unterschiedliche Gestalten. Die einen sind von großer und kräftiger Gestalt, andere sind feingliedrig. Sie haben unterschiedliche Fähigkeiten und damit auch unterschiedliche Aufgaben in der Schöpfung Gottes. Auch gibt es Feen, Gnomen, Elfen und Wichtlinge, die in der irdischen Welt nur aus Märchen bekannt sind. Es gibt alle möglichen Tiere. Sie sind alle zahm, auch solche, die bei uns auf Erden wild sind.
Auch in der Geisteswelt gibt es Feste, Musik, Tanz, Dichtung und Kunst. Es gibt Humor und Unterhaltung. Aber alles ist dort viel reiner, schöner und feiner. So geht etwa der Humor nie auf Kosten anderer. Die Musik ist so rein und schön, dass sie nicht nur mit dem Ohr und über den Rhythmus aufgenommen wird. Man kann ihre Schwingungen sogar mit den Augen als Farbenpracht genießen. Sie muss unglaublich schön sein.
Auch in der Geisteswelt muss alles erarbeitet werden. Für die Bildung und Erziehung gibt es Schulen, weil auch immer wieder neue Geister ins Dasein treten, und Bildung und Forschung Teil des Lebens im Jenseits sind. Talente und Fähigkeiten können sich viel besser entfalten. Auch im Himmel gibt es verschiedene Berufe und Fachleute, Handwerker und Kunsthandwerker. Es gibt schöpferisch Tätige, welche Ideen und Pläne entwickeln und solche, die sie umsetzen.
Die jenseitige Welt ist real und wir haben allen Grund, unser irdisches Leben so zu gestalten, dass wir möglichst bald nach dem irdischen Scheiden in diese schöne himmlische Welt dürfen. Es ist schade, dass viele Menschen nicht an ein Jenseits glauben, geschweige denn etwas davon wissen. Wenn von Jenseits die Rede ist, spricht man oft von der Hölle. Es wird dann ausgemalt, wie sie wohl aussieht und was dort vorzufinden wäre. Den Himmel aber malen sich nur wenige aus. Dabei ist das der Ort, nach dem wir alle streben.
1) Johannes Greber – Der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes, seine Gesetze und sein Zweck. Selbsterlebnisse eines katholischen Geistlichen, 8. Auflage 1985, Johannes Greber Memorial Foundation, New York, S.264
2) Neue Jerusalemer Bibel, Einheitsübersetzung mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel, 5. Auflage 1985, Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart